Abenteuer Reise
Du bist hier:    Afrika   /  Luangwa Expedition
 
 

Luangwa Expedition

Von Mpande aus wollten wir den Luangwa mit dem Raft befahren, der Ausstieg war an den Flat Dogs Camp geplant. Da der Luangwa als Grenzfluss den Nord und Süd Luangwa Nationalpark entlang fließt, rechneten wir mit geringen Problemen durch die Ranger.

Wir waren zu viert unterwegs: Alfons, den ich über eine Anzeige kennen gelernt hatte und der bereits den Omo in Äthiopien befahren hat, sowie Conni und ihr (Ex-)Freund. Die beiden hatte Alfons angeschleppt.

Früh am Morgen standen wir also schwer bepackt am Flughafen von Lusaka und suchten den Bus nach Isoka. Nach einem anstrengenden Nachtflug verbrachten wir noch einmal den ganzen Tag und die folgende Nacht im Bus … Da der Bus 10 km vor Isoka hält, waren wir gezwungen, uns ein Fahrzeug zu organisieren – und das um 5 Uhr morgens auf leeren Straßen. Es klappte! In Isoka angekommen, suchten wir den Chef des Dorfes auf wegen einer Genehmigung zur Flussbefahrung. Mit roter Krawatte und zerfleddertem Sakko warf er sich vor uns in Positur und ließ sich ausführlich unser Anliegen erläutern – und wir erhielten schließlich die Genehmigung.

Kurz vor dem Einstieg legten wir noch eine Erholungspause im Camp ein und waren gleich umringt von Einheimischen, die uns ihre kranken Angehörigen präsentierten. Wer weiß ist, muss Arzt sein …!? Bereits hier waren wir so weit abseits aller Touristenströme, dass die Menschen bei unserem Anblick in eine Art ängstliche oder ehrfurchtsvolle Starre fielen. Keiner aber kam auf die Idee zu betteln oder uns anzusprechen. Solange wir nicht den ersten Schritt machten, blieben sie auf Distanz.

Das erste Problem ließ nicht lange auf sich warten. Meine in Südamerika bewährten Wasserfilter funktionierten bereits nach ein paar Pumpschüben nicht mehr. Aber wir waren heute zu erledigt, um dafür eine konkrete Lösung zu finden. Tags darauf fuhren wir in aller Frühe mit dem Raft los, ohne die Schwierigkeit behoben zu haben. Wir hofften auf einen Seitenarm des Flusses zu stoßen, um ein wenig saubereres Wasser bunkern zu können.
Weil es furchtbar heiß war und wir Durst hatten, steuerten wir das nächste Dorf an. Als wir am Ufer anlegten und gesichtet wurden, rannten die Dorfbewohner schreiend davon. Wir schauten uns im Dorf um, aber nirgends war Wasser zu entdecken. Also fuhren wir weiter bis zum nächsten, aber auch hier liefen alle vor uns davon, ebenfalls keine Spur von Wasser. Conni und ich blieben im Dorf, um erst einmal abzuwarten: Langsam, ganz langsam näherten sich dann ein paar Kinder, und als wir keine Anzeichen machten zu gehen, kamen auch die Erwachsenen langsam und sehr zögerlich hervor. Connis ruhige und freundliche Art brachte das Eis schnell zum Schmelzen. Flugs holte man für uns zwei alte Eisenstühle, auf denen wir Platz nehmen sollten. Nach einigem Palaver mit vielen Handzeichen zeigte man uns dann das dorfeigene Wasserreservoir, das aus einem einzigen Topf mit Trinkwasser bestand. Das Wasser roch leicht rauchig und schmeckte auch brachig, aber es war offensichtlich Trinkwasser, denn es wurde sofort wieder sorgfältig verschlossen. Unschlüssig blickten wir uns an: „Wir können doch den armen Leuten hier das Wasser nicht wegnehmen!“ Gerade als wir uns zum Gehen wenden wollten, kam eine Frau mit einem Teller Ugali auf uns zu, von dem wir ein paar Bissen probierten. An eine unauffällige Rückkehr war nun nicht mehr zu denken: Wir wurden in jede der etwa zwölf Hütten geführt, eine erbärmlicher als die andere. Als einzige Lebensmittel entdeckten wir ein paar Stangen Zuckerrohr, einige Maiskolben und einen Topf mit getrockneten Vogelküken. Bedrückt verabschiedeten wir uns.
Als am Abend ein Gewitter aufzog, machten wir einen spontanen Halt und spannten eine Plane auf, um das Regenwasser aufzufangen. Das Abendessen, ein Kilo Nudeln mit Salami, verschlangen wir wie einen Leckerbissen.

Am nächsten Tag konnten wir auch das Filterproblem lösen. Da der Fluss zu sedimenthaltig war, verstopfte der Filter sofort und so füllten wir jeden Abend eine der wasserdichten Tonnen mit Wasser, um am nächsten Tag ohne große Probleme Wasser aufbereiten zu können, denn das Sediment hatte sich über Nacht gesetzt.

Die Tage auf dem Fluss waren sehr aufregend. Bereits am zweiten Tag mussten wir die großen Nilpferdhorden im Wasser umfahren, hatten dabei immer den Bullen fest im Blick. Ein Hippo sprang, von uns am Ufer aufgeschreckt, fast ins Raft. Als sich der Fluss in drei Arme teilte, nahmen wir die Rinne mit dem meisten Wasser. Ich erinnere mich, dass er sehr eng war an einigen Stellen und so stand in einer Linkskurve plötzlich eine Hippodame halb im Fluss, den Kopf zu ihrem Jungen am Land hin ausgestreckt. Wir waren nur ein paar Meter entfernt, hatten keine Chance, an dieser schmalen Passage zu reagieren. Also fuhren wir direkt auf die Nilpferdmama zu, einen Meter vor dem sicheren Zusammenstoß tauchte sie ab. Ich dachte noch: „Himmel, bloß nicht die Mutter von ihrem Kalb trennen“, da waren wir bereits an dem Jungen vorbei und die Mutter tauchte prustend hinter uns wieder auf – Glück gehabt!
Nicht weniger aufregend waren die Nächte im Zelt. Da ich passionierter Einzelschläfer bin, hörte ich wie immer wieder Tiere ums Zelt schlichen, dazu das Gebrüll der Löwen und das keckernde Lachen der Hyänen – manchmal war diese Geräuschkulisse so schön gruselig, dass ich erst spät und dann nur vor lauter Erschöpfung einschlief.

Je weiter es voran ging, umso reicher präsentierten sich uns Flora und Fauna der Flusslandschaft des Luangwa. Fast täglich unternahmen wir Pirschzüge im Busch und eroberten uns traumhafte Schlafplätze. Mit der Zeit stellten wir fest, dass die Tiere ziemlich gelassen auf das Raft reagierten, sodass wir uns recht nah an Elefanten, Giraffen und Antilopen heranwagen konnten. Von einem Baum aus konnte ich eines Mittags ein ganzes Rudel Löwen ausmachen. Und am Abend ganz in der Nähe unseres Camps zwei Hyänen.Die Macht der Natur schlug zu, als uns ein Krokodil, ein eher kleines Exemplar von nur knappen zwei Metern Länge, von hinten angriff. Ich saß vorne links im Raft, daneben Alfons, hinter mir Conni. Das Luder von Krokodil schwamm zunächst keine zwei Meter entfernt neben uns her. Ich weiß noch, dass ich Alfons fragte, ob er am Omo jemals Probleme mit den Viechern hatte. Er antwortete gerade noch mit einem kurzen „Nö“, als das Krokodil abtauchte. Ein paar Sekunden später kam es hinten links bei Conni wieder an die Oberfläche, packte das Raft und zog es in die Tiefe. Das muss man sich einmal überlegen: vier ausgewachsene Personen samt ordentlich Gepäck, das waren zusammen mit dem Raft wenigstens 400 kg! Als ich mich umdrehte, sah ich Conni bis zur Brust im Wasser hängen und das Urvieh vollführte gerade seine Todesrolle. Alfons brüllte „Hau druff!“, aber Conni war damit beschäftigt, nicht vollständig aus dem Boot zu kippen. Als ich mit dem Paddel zuschlug, traf ich nur ins Leere. Das Raft verlor schlagartig an Luft und wir paddelten wie wild und voller Panik vor einem weiteren Angriff auf das rechte Ufer zu. Außer Atem ließen wir uns weit oberhalb des Ufers erschöpft zu Boden fallen. Wir begutachteten den Schaden am Raft, der sich schnell als irreparabel herausstellte.
Weil wir keine Möglichkeit sahen, das ganze Gepäck alleine zu bergen, machten sich Alfons und ich am nächsten Tag zu Fuß auf, um Hilfe zu holen. Die anderen beiden blieben beim Raft. Zwei Tage gingen wir den Fluss zurück, bis wir endlich ein Dorf fanden. Nach einigem Sprachkauderwelsch fand sich ein Mann, der ein paar Brocken Englisch sprach. Er Organisierte Träger und wir gingen das Raft samt Gepäck holen. Zurück im Dorf machten wir erst mal Beruhigungspause denn es musste sowieso ein Boot beschafft werden das uns ans andere Ufer bringen konnte. Wieder wurde Jemand losgeschickt um zu Organisieren. Zwei Tage später ist es da. Das kleine Boot wird beladen das ich wirklich Bammel habe als es den Fluss auf mehrere Portagen verteilt rüber geht. Nun mussten wir wieder, mit vielen Trägern für das Gebäck, ins nächste Dorf, dort soll es einen fahrbaren Untersatz geben. Vor mir lief zeitweise übrigens eine Frau mit einem Kind auf dem Rücken und meiner etwa 20 kg schweren Tonne auf dem Kopf – und ich hatte Mühe, mit ihr Schritt zu halten!
Im besagten Dorf erwartete uns schließlich ein schrottreifer Lkw, der in den nächsten Tagen soweit aufgemöbelt wurde, dass er doch tatsächlich Fahrbereitschaft zeigte.
Er brachte uns zurück in die Zivilisation und von dort aus weiter nach Lusaka.
Mehrmals während unserer Tour hatte ich Alfons gebeten, das Raft doch einmal zu reinigen, war damit aber auf taube Ohren gestoßen. Als wir es dann im Flughafen auf das Förderband legten, lief das abgestandene Wasser in Strömen heraus – ich habe mich dafür in den Boden geschämt.

Im folgenden Jahr prüften wir immer wieder die Möglichkeit, ein festes Boot an den Luangwa zu bringen, damit hätten wir es gerne noch einmal versucht. Nicht zuletzt stellten aber die damit verbundenen Kosten ein zwar banales, aber echtes Hindernis dar. Den Traum, diesen wirklich wilden Teil Afrikas noch einmal zu bereisen, habe ich mir dennoch bis heute bewahrt …

Galerie - Luangwa Expedition
Klick auf das Bild um die Galerie zu öffnen.
Karte - Luangwa Expedition
Klick zum Vergrößern auf das Bild.
 
    Drucken Seite empfehlen
© 2008 reise-abenteuer · Karl-Heinz Dienstl   |   Produktion der Website: D2S/SYSTEMS - Redaktionssystem: D2S/CMS